BYE BYE POLICE – MEINE KÜNDIGUNG BEI DER POLIZEI

Meine Kündigung bei der Polizei

Wer hätte gedacht, dass es dazu kommt… Noch vor 5 Jahren war ich beruflich der glücklichste Mensch, hatte ich doch meine Nische in einer sehr coolen Einheit bei der Polizei gefunden. Einige Jahre später, war das Glück nur noch bedingt vorhanden.

Warum das Ganze?

Meine Motive waren, wie sagt man heute, multifaktoriell.

Die offensichtlichen Gründe waren meine Arbeitszeiten und das Pendeln, welches durch private Entscheidungen mittlerweile 1:15 h einfache Strecke betrug. Beides Sachen, die man hätte ändern oder beheben können – aber ich konnte mir zum einen keinen anderen Bereich vorstellen, in dem ich bei der Polizei arbeiten wollte, zum anderen wollte ich nicht wieder zurück in die Stadt ziehen, in der ich arbeitete (Fulda) – ich war ziemlich happy, dort nicht mehr zu sein und hatte gerade das Haus meines verstorbenen Opas renoviert und bezogen.

 Viel tiefer in mir schwang jedoch auch immer mehr das Gefühl mit nicht „frei“ zu sein. Rational nicht richtig erklärbar, aber da ich auf meinem Weg als Yogalehrer immer mehr auf mein Bauchgefühl hörte, konnte ich nach langem Hin und Her nicht anders, als einen Ausweg aus dem Beamtenapparat zu suchen.

Um aber noch etwas weiter auszuholen, woher dieses Gefühl von Unfreiheit her kommt, muss ich etwas tiefer einsteigen (ohne Interna zu verraten). 12 Jahre war ich Beamter bei der hessischen Polizei. Jahre, in denen freie Wochenenden, pragmatische Dienstgestaltung, Selbstständigkeit, Anerkennung von Individualität mit einhergehender Förderung dieser nicht unbedingt auf der Tagesordnung standen. Ich fand schließlich meinen damaligen Traumjob – das Freieste was ich mir innerhalb der Polizei für mich vorstellen konnte. Doch auch hier musste ich oft Wochenenden, Feiertage oder sehr bescheidene Uhrzeiten abdecken. Es war ein wöchentliches Puzzeln mit meinen Privatterminen. Jammern auf hohem Niveau? Vielleicht. Dennoch, es fühlte sich irgendwann nicht mehr erträglich an – trotz wundervoller Kolleginnen und Kollegen. Die Erfüllung war weg, die Struktur des Apparates gefiel mir, je mehr Einblicke ich bekam, immer schlechter.

Zwei Beispiele:

Beurteilungen wurden nicht primär an der Leistung festgemacht – sondern daran, wer als Nächste für eine Beförderung anstand. Das Modell der Gaußschen Glocke musste eingehalten werden. Man konnte als junger Kollege so gut sein wie man mochte, man stellte sich hinten an. Mir waren Beförderungen nie wichtig, aber es zeigt ein Bild wie das Beamtentum funktioniert.

Beispielsweise sind Stellenausschreibungen oft bereits mit dem dafür vorgesehenen Personal hinterlegt, sprich die Stelle gehört bei Veröffentlichung der Ausschreibung schon jemandem. Das Ganze ist natürlich nicht offiziell – es soll ja fair aussehen. Zu viele abgekartete Spiele, zu wenig Spielraum für Individualität in der Vita, zu viele Verkalkungen…

Das Deutschland in Sachen Modernisierung oft hinterher hinkt, ist kein Geheimnis. Das der Verwaltungsapparat noch langsamer als die freie Wirtschaft ist, ebenso wenig. Entgegen aller Erzählungen vom „familienfreundlichen Arbeitgeber“ ist die Realität oft niederschmetternd. Sicherlich, haben es die Kolleginnen und Kollegen, die Tagdienst versehen oft einfacher, da sie in der Struktur von nine to five eingebettet sind – doch geht man in die Metropolen, ist auch hier das Bild was sich zeichnet ein anderes. 500 Überstunden sind keine Seltenheit, 10 Stunden am Tag arbeiten Normalität. Kommt zum Dienstende ein Vorgang mit Brisanz, bleibt man ungeplant oft 3-4 Stunden länger. Im Schichtdienst sind aufgrund der desolaten Personalsituation Zusatzdienste die Regel und nicht die Ausnahme. Homeoffice wird gar nicht gerne gesehen, Sabbat wurde abgeschafft, 40 Stunden Woche eher rückschrittig in heutigen Zeiten (und da hatten wir Glück, dass die 41 h Woche abgeschafft wurde). Da frage ich mich schon, wie die Polizei sich das Adjektiv familienfreundlich auf die Fahne schreiben kann, denn der Realität entspricht es nicht.

Das Einzige über was ich mich zunehmend weniger beschwert habe ist die Besoldung – hier kommt man wirklich gut weg, immer im Hinterkopf habend, dass man seinen Kopf hinhält, wenn es ungemütlich wird, muss ich dennoch sagen, dass ich mein Leben überdurchschnittlich gut finanzieren konnte – trotz pendeln, Unterhalt, Autofinanzierung, Miete etc.

Soweit die Bestandaufnahme – doch wie löse ich diesen Zustand? Als studierter Polizist, hat man zwar studiert, ist halt aber trotzdem „nur“ ein Polizist. 2 Jahre las ich sämtliche Internetartikel, aber außer Sicherheitsdienst, 6 Jahre Fernstudium, den dringenden Rat nicht zu gehen und schlaue Sprüche von Leuten die keine Ahnung haben, habe ich nicht viel gefunden. Schließlich beworb ich mich auf eine Stelle im hiesigen Landratsamt (Ausländeramt), bis ich aus meiner geistigen Trance erwacht und feststellte das ich im Begriff war genau das zu werden, was ich bei der Polizei nie werden wollte – ein Schreibtischtäter. Ich zog die Bewerbung wieder zurück und machte einen ziemlich coolen Move: Ich reichte einen Antrag auf Teilzeit (35h) ein – ohne Begründung. Das hessische Beamtenrecht gibt genau das her, jedoch habe ich nie jemanden kennen gelernt, der es in Anspruch nahm. Der Antrag ging durch und meine Umstände wurden erträglicher, weil ich nun Besuchszeiten mit meiner Tochter und die Arbeit unter einen Hut bekam, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich frei machte.

Doch auch hier hatte das Ganze eine kurze Halbwertszeit und mein Bauchgefühl kam wieder auf – der Handlungsdruck wuchs und wuchs ohne dass ich genau wusste, was das Ziel war. Es präsentierte sich mir von selbst:

Meine Yogalehrerin und gute Freundin hatte parallel zu ihrem Yogastudio ein schönes Café in unserer Kleinstadt und suchte Mitarbeiter – mein Ausstieg. Wer jetzt wegklicken will, weil er/sie sagt, Gastro ist nichts für mich – dem sei gesagt, dass die Geschichte sich noch einmal ändern wird (Spoiler).

Doch zuerst zu meiner Kündigung:

Das Ganze lief sehr unspektakulär ab. Um als Polizist zu kündigen, muss man darum bitten entlassen zu werden (Verwaltungskram blabla). Am Ende ist das Ergebnis gleich: Man ist weg aus dem Beamtenverhältnis, zu einem Datum, dass im Idealfall nicht nur einen Monat in der Zukunft liegt, genaue Bestimmungen gibt es da aber kaum. Ich habe das Ganze 3 Monate im Voraus erledigt.

Dann organisiert man selbst die Abgabe seiner Waffe, seine Dienstkleidung entsorgt man in der Altkleidersammlung (vorher Wappen entfernen) und entsprechend der Ausstattungskarte gibt man sein ganzes Geraffel ab. Am letzten Tag musste ich meinen Dienstausweis aushändigen. Rundherum hatten meine Kollegen diverse schöne Überraschungen für mich eingebaut und machten mir den Abschied echt schwer, auch wenn ich nie bezweifelte, dass dies der richtige Weg für mich ist. Nachdem sie für mich Spalier im Treppenhaus standen und mich applaudierend verabschiedeten, drückte ich diverse Tränen raus und fuhr in mein neues Leben (ein letztes Mal 75 min nach Hause).

Wie gesagt, hatte ich eine Stelle in der Gastronomie – als Shopmanager und Barista. Hier offenbarte sich relativ zeitnah das Wesen der freien Wirtschaft: Es ist fucking hart. Jeder Beamte der sich beschwert, er würde zu wenig verdienen für zu viel Leistung, unterliegt einem Irrglauben. Man arbeitet in der Gastronomie wesentlich härter für wesentlich weniger Geld. Natürlich hatte ich alles durchkalkuliert und war echt fein mit meinem Gehalt und meinem Nebenverdienst als Yogalehrer, aber auch ohne Pendeln und Spätdienste, war ich nach 2 Monaten echt ausgebrannt. Ich hatte mir zu viel vorgenommen, mich holte die Realität ein. Ich liebte den Job und meinen Nebenjob, in der Summe arbeitete ich aber einfach zu viel. Ich hätte den Zustand noch aushalten können, zumal mit der Routine auch die Erleichterung kommt – am Ende wurde mir diese Entscheidung jedoch abgenommen: aus finanziellen Gründen musste das Café 3 Monate nachdem ich dort anfing schließen. Auch ein Punkt, den man als Beamter selten sieht: Existenzangst.

Fuck! Ich hatte alles auf diese Karte gesetzt, keine nennenswerten Qualifikationen, keine Ambitionen in einer anderen lokalen Gastronomie zu arbeiten und stand ohne etwas da. Das Leben hatte mir Vertrauen gelehrt, aber das war echt uncool. Was nun Konstantin? Zurück zur Polizei – niemals. Ich fasste den Entschluss mich durchzuschlagen und schrieb Bewerbungen.

Eine Stelle im Landratsamt, die sehr interessant aussah, weckte mein Interesse – doch mit der Aussage, dass meine Fähigkeiten für die Verwaltung im gehobenen Dienst wohl nicht so richtig geeignet sind, bekam ich eine Absage. Mehrere Yogaschülerinnen brachten mich auf die Idee Lehrer im Quereinstieg zu werden, da momentan hierfür die Gegebenheiten mehr als gut sind (auch wenn das Schulsystem gerade echt am A**** ist). Ich registrierte mich also auf einem Thüringer Portal für Lehrer und wartete. In der Zwischenzeit, war ich arbeitslos und weil ich als Beamter nie Arbeitslosenversicherung bezahlt habe, bekam ich gar nichts und lebte von meinen Reserven.

Eine weitere Stellenausschreibung in der Verwaltung eines hiesigen Bildungsträgers bekam meine Aufmerksamkeit. Auch hier bewarb ich mich. Weiterhin schickte ich Initiativbewerbungen an umliegende Städte für die dortige Verwaltung und bewarb mich als Briefträger und Initiativ bei einer Großbäckerei – ebenfalls auf eine Verwaltungsstelle.

Da war dieser eine Tag – ich hatte mich ohne Ende beworben, war gleichzeitig etwas gefrustet und angespannt. Entgegen meines Schweinehundes, besuchte ich eine Yogastunde. Als ich entspannt(er) und ausgeglichen mein Handy danach aus dem Flugmodus zurückholte, hatte ich zwei Nachrichten. Der Bildungsträger wollte mich schnellstmöglich zu einem Bewerbungsgespräch einladen. Das Schulamt wollte wissen, ob ich Interesse an einer Stelle als Ethik Lehrer an einem Gymnasium hätte. Das ist der sogenannte Yogabliss oder?

Ein Schalter in meinem Kopf legte sich um – ich begriff, dass ich Optionen hatte, abseits von „typischen“ Quereinsteiger-Jobs. Ich sagte beidem für ein Bewerbungsgespräch zu.

Um das Ende kurz zu machen:

Mein Bewerbungsgespräch bei dem Bildungsträger verlief märchenhaft, denn die Chefin bemerkte nach ca. 10 Minuten Gespräch, dass ich wohl nicht so für die Verwaltung geschaffen sei, bot mir jedoch eine Stelle als Fachlehrer für Wirtschaft und Verwaltung an – an einer Einrichtung die sich auf Auszubildende und Schüler spezialisiert hat, die meist in ihrer Vita einen Bruch haben oder besonderer Förderung bedürfen – sprich irgendwie eine Mischung zwischen Sozialarbeiter und Lehrer. Ich war ganz aus dem Häuschen. Unter der Bedingung, dass ich einen Ausbilderschein bei der IHK absolviere, wurde ich eingestellt.

Ich sagte den Termin beim Schulamt ab (Bauchgefühl). Zwei Tage später rief mich die Stadtverwaltung an, dass sie sich sehr gerne mal mit mir, bezüglich meiner Zukunft bei ihnen, unterhalten würde – auch denen sagte ich ab.

Summa summarum seht ihr – es gibt Möglichkeiten und zwar nicht zu knapp, auch wenn man neben der Polizei wenig bis keine Zusatzqualifikationen hat, so sind es doch die Fähigkeiten und nicht die Abschlüsse die zählen, zumindest in einigen Berufsfeldern. Man muss einfach nur out oft he Box denken und die jetzige Situation am Arbeitsmarkt (aus)nutzen.

Ich freue mich jetzt auf meinen nine to five Job mit freien Wochenenden, Feiertagen, vor meiner Haustür, mit gutem Einkommen und neuen Herausforderungen.

PS: Dieser Artikel ist bei Veröffentlichung 5 Monate alt und ich habe es noch nicht eine Sekunde bereut.

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Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Sophie und Marco

    Wir freuen uns von Herzen für dich und wünschen dir alles Gute ❤️
    Liebe Grüße, Marco und Sophie 🙂

    1. Kowo

      Oh wie lieb! Danke euch und ganz ganz liebe Grüße!!! <3 <3 <3

  2. Schleicher

    Weiterhin alles Gute lieber Konsti 🍀🍀🍀

    1. Kowo

      Lieber Schleicher, ich danke dir von Herzen <3 - dir ebenso!

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