Der goldene Käfig – das Beamtentum

Hello hello,

endlich bin ich mal wieder zurück an meinem metaphorischen Mikrophon und freue mich, ein neues lyrisches Stück zum Besten zu geben. Übrigens, wusstest du, dass ihr früher einmal gerappt habe – (was das mit dem Mikro gar nicht so weit hergeholt wirken lässt)? Witzigerweise nannte ich mich damals Antidote (ja ich weiß, pathetisch):

„Antidote, Anti Alles, Gegengift zu schlechtem Rap – Thüringer Gymnasium-Style, hartgekocht und eloquent“

Das war eine meiner Textzeilen (nur dezent beschämend), die darauf schließen lässt, dass das Ganze ca. 16 Jahre in der Vergangenheit liegt. Ich habe das Gefühl Hip Hop sollte übrigens mal deutlichst auf den Prüfstand und ein Stück zurück zu den Wurzeln, aber vielleicht bin ich auch nur so ein Rap-Opa der die Junge Autotune-Klamottenmarken-Money Generation schon mit Anfang 30 nicht mehr versteht… Letzte Woche fragte ich eine Schülergruppe, ob sie Kool Savas kennen und ihr ahnt es – nicht ein einzig(st)er Schüler wusste wer das ist…ich bin haarscharf an einer Sinnkrise vorbei gestreift und habe mich noch nicht ganz von dem Schock erholt.

So Gymnasium, Schüler – 2 Buzzwords die als Überleitung dienen könnten, hin zu einem Thema, was euch an mir immer noch ganz schön interessiert, zumindest fragen mich viele danach – kürzlich habe ich sogar eine E-Mail aus NRW zu dem vergangenem Blogartikel bekommen:

Das Beamtentum und meine Entsagung davon

In 2 Wochen hatte ich Konversationen mit 3 Lehrer*innen und 1 Polizisten, die alle in die Richtung gingen, dass diese entweder in Teilzeit wechseln wollen oder aber ganz ausscheiden möchten. Schon davor lies mich das Thema nicht los, alleine schon weil ich mit Schülern arbeite und auch hier und da schon mal gefragt werde, ob ich mir vorstellen könnte, als Seiteneinsteiger in den Lehrberuf zu gehen.

Da ich aber meine Erfahrungen mit dem Beamtentum habe, weiß ich genau worauf das hinauslaufen würde:

DER GOLDENE KÄFIG

Ich sag eine Sache vorweg – ich bin mir aller Privilegien des Beamtentums sehr bewusst:

  • Verhältnismäßig sehr gute Bezahlung (und lasst euch nichts anderes erzählen)
  • Besoldung, die an private Umstände geknüpft ist (Ehe, Kinder, Alter/Erfahrung)
  • Sicherheit & Planbarkeit
  • Vorzüge durch die private Krankenversicherung
  • Privilegierte Behandlung bei Wohnungssuche, Krediten uvm.
  • Pension – und somit eine wahnsinnig hohe „Rente“ im Vergleich zum Rest der Bevölkerung
  • Alle dienstlichen Belange sind irgendwo geregelt – keine unbezahlten Überstunden, kein Feilschen um Urlaubstage, Gehaltserhöhung usw.

Hier ein dicker ‚Punkt‘ und kein ‚aber‘ .

In diesen Vorzügen sind meiner Meinung nach viele Sachen schwer zu erklären und zum Teil auch wirklich ungerecht. Aber da ich mir nicht unterstellen lassen will, dass ich „nörgle“, weil ich diese Vorzüge jetzt nicht mehr habe, will ich mich darauf konzentrieren, womit man all diese Vorteile bezahlt:

Seiner Freiheit

Und hier ist die Liste ebenso lang, es kommt allerdings darauf an, welche Gewichtung man in die einzelnen Punkte legt. Ich würde niemals sagen, dass sich Menschen im Rahmen des Beamtentums nicht wohlfühlen und glücklich sein können. In Bezug auf folgende Punkte wird es jedoch echt haarig:

  • Ort wechseln – egal ob Schule, Polizeistation oder noch schlimmer Bundesland, alles Sachen die mal schnell so einfach nicht möglich sind und immer vom Wohlwollen des Dienstherren abhängen
  • Kein Druckmittel auf den Arbeitgeber, weil man zwar unkündbar ist aber sich eben auch nicht mal einfach so ein besseres Angebot bei der Konkurrenz holen kann
  • Flexibilität ist ein schwieriger Begriff – Sabbat, Teilzeit, Home-Office oder unbezahlter Urlaub sind schwer zu bekommen und können leicht untersagt werden (zumindest anlasslose Teilzeit habe ich damals bekommen, kenne aber Lehrerinnen, bei denen das nicht so ist)
  • Individualismus ist in einem verkrusteten, starren & relativ autoritärem System nicht einfach einzubringen – ich habe einen fast einen Systemschock erlitten, als ich in die „freie Wirtschaft“ wechselte und mich damit auseinander setzen durfte, dass Zuständigkeiten eben nicht klar abgetrennt sind, sondern, dass jeder auch mal alles machen darf (ein großer Zugewinn für mich)
  • Alternativen zum ordinären Job sind im System, besonders bei Lehrer*innen, schwer zu finden, bei der Polizei geht das noch ganz gut – je nach Interessenslage

Und jetzt höre ich mit den Stichpunkten auf, weil diese meine Kreativität hart einschränken. All das führt zu einem unterschwelligen Gefühl von „Unfreiheit“. Ich höre oft, dass Beamte kleine Stellschrauben drehen um ihre Situation zu verbessern, was auch häufig kurzfristig gelingt. Langfristig jedoch treten häufig dieselben Probleme wieder und wieder auf, bis man eine Karikatur seines frischen, anfänglich so motivierten, visionärem Selbst ist, was diesen Job einst begann.

Ein weiterer Punkt, den auch Beamte oft  gnadenlos unterschätzen ist die Abhängigkeit in die sie sich begeben. Glaubt mir ich weiß wovon ich rede und auch ich habe es nur mit familiärer finanzieller Unterstützung geschafft mich davon zu lösen (was mit Vorbereitung über 2 Jahre gedauert hat). Denn sind wir mal ehrlich, wenn ich weiß, dass mir rein gar nichts passieren kann, plane ich meine monatlichen Mittel schön aus. Haus, Auto, Urlaube, Abos, Kleidung, Lifestyle – ich sehe es in den Accounts und ich hatte genau das selbst. Man holt sich das, was man sich leisten kann, weil ja finanziell sowieso nichts passieren kann – egal was, man fällt weich. Krankengeld um die 60% ? No way, es gibt volle 100%, auch wenn man länger nicht arbeiten kann. Bevor ich den Kommentar bekommen: Dienstunfähigkeit ist hier ausgenommen.

Da man aber oft mittelfristige Gehaltseinbußen in Kauf nehmen muss, wenn man sich vom Beamtentum löst, ist  nicht einmal die Möglichkeit denkbar, aus dem Beamtentum auszusteigen.

Wisst ihr, ich bin vielleicht ein kleiner Idealist, wahrscheinlich verstehen einige von Euch meine Lebensweise nicht, aber eines lasse ich mir niemals nehmen: den Stolz darauf, dass ich unabhängig heute dort stehe wo ich bin – in dem Wissen, dass ich immer einen Job finden werde, dass mich kein Arbeitgeber oder Vorgesetzter f*cken kann, weil ich dann einfach kündige, dass ich nächsten Monat wenn ich wöllte, umziehen könnte, ich mit wenig Mitteln auskommen kann, mich beruflich entwickeln kann und schlussendlich ein freier Mensch bin.

Für mich ist diese Priorität vor allen möglichen monetären Möglichkeiten verortet – wie das bei dir ist, solltest du verbeamtet sein, musst du entscheiden. Ich bin auf jeden Fall dankbar, dass die goldene Käfigtür hinter mir geschlossen ist – ich vermute, dass ich sie auch nicht nochmal öffnen werde – but who knows..

 

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