Triggerwarnung (Scheißwort):
Dieser Text ist zynisch, und in Teilen unsachlich. Legt ihn nicht auf die Goldwaage und seht ihn im Kontext einer Kritik – mit schwarzem Humor durchsetzt.
Einer dieser Tage an denen ich denke, dass vieles was ich nach außen verkörpere und transportiere gar nicht durch mich integriert wurde. Ich weiß nicht mal wie ich es verbalisieren soll, aber es scheint mit Blick auf die „Yogaszene“ eine Mischung zwischen „Du kannst das eigentlich gar nicht“ und „Du bist das eigentlich gar nicht“ zu sein.
In diesem Verbalisierungskonflikt befinde ich mich schon geraume Zeit, weshalb ich diese Sommerpause unter anderem dazu nutzen wollte ihn aufzulösen und wer mich kennt weiß, dass ich Fan davon bin Sachen runterzuschreiben, damit sie aus dem Kopf sind (klappt wirklich). Somit nehme ich Euch mit zu meinem Gedankengulasch (natürlich in der veganen Variante 😉 ).
Wisst ihr, ich war zu Beginn total gehyped (schreibt man das so?) von der Yogaszene, von dem Konzept, von der Vielfalt und den schier unendlichen Möglichkeiten zu praktizieren. Ich wollte alles ergründen und las und hörte und praktizierte was das Zeug hielt. Ich denke sehr gerne an diese Zeit zurück, hatte ich doch das Potential mein gesamtes Leben umzukrempeln und nach meiner Fasson zu gestalten. Das tat ich, darauf bin ich unendlich stolz.
Mittlerweile sehe ich was aus Yoga gemacht wird und ich bekomme das Bedürfnis, meine Art zu praktizieren nicht mehr Yoga nennen zu wollen. Es stößt mir immer mehr auf, dass aus Yoga ein privilegiertes verkonsumierbares kapitalistisches Esoding mit Heilsteinen, Realitätsverleugnung und CBD Öl gemacht wurde. Gleichzeitig bin ich irgendwie Teil dessen und wüsste auch nicht so richtig, wie ich es ändern könnte. Ich könnte der neue undercover Yogalehrer für Insider werden, der keine Instagramwerbung für sich macht, aber das wäre ja auch nur eine Marketingstrategie und wahrscheinlich keine besonders gute…
Ich habe mittlerweile eine Antipathie gegen Wörter wie Achtsamkeit und Selflove entwickelt, obwohl ich sie unterrichte. Ich frage mit aber ernsthaft, wie zum F*** man diese Konzepte in einem System umgesetzt werden sollen, was den Fokus mehr auf das nächste Retreat oder die bessere Yogamatte richtet, was am Ende des Tages der Hälfte der Bevölkerung den Mittelfinger zeigt, weil die es sich gar nicht leisten kann. Yoga ist so abgehoben, privilegiert und weiß und das kotzt mich an, während ich natürlich genauso abgehoben, privilegiert und weiß bin.
Ich stelle mich hin und rede von „Daily Practise“, während ich mich selbst gar nicht daran halte und auch nicht weiß, wie sich eine alleinerziehende Mutter von 2 Kindern daran halten soll. In Konsequenz erzeugt es Druck. Und das in einem System was vor Ungleichheit und unfairer Arbeitsteilung nur so trieft.
Natürlich ist der wöchentliche Yogakurs eine Insel und ich kenne das von sooo vielen Frauen, die aus ihrem stressigen Alltag in meine Kurse kommen – in die ich aus meinem stressigen Alltag komme und mich manchmal frage, was ich unterrichten soll, wenn ich diese ganzen Menschen einfach bewundere für den Workload den sie aushalten, wenn sie den Alltag mit Kindern und Job und was weiß ich alles meistern. Wie soll ich einer Mutter erzählen sie soll Frühs meditieren, wenn sie um 24 Uhr für 5-6 Stunden Schlaf ins Bett fällt. Wie soll sie abends praktizieren, wenn 4 Maschinen Wäsche warten und sie einfach froh ist sich mit einem Glas Wein 15 Minuten auf die Couch zu setzen kann und sie nicht auch noch in Aktivität in Form von praktizierter Inaktivität gehen möchte.
Wie soll ich Yoga erfahrbar machen und Leute animieren sich auf die zugegebenermaßen lange Reise der Heilung zu begeben, wenn ihnen auf diesem Wege Lehrer*innen begegnen, die Yoga, Akrobatik, Sport, Nahrungsergänzungsmittel, und heilsteinverseuchtes Magnetwasser in einen Topf werfen und einfach dafür sorgen, dass Menschen wieder nur dadurch Heilung suchen, indem sie sich von außen etwas einverleiben, anstatt zu verstehen, dass Zufriedenheit nur von innen kommen kann. Und zeitgleich mag ich den Vibe, wenn mir dieses Steinwasser jemand eingießt, während mir ein Nag Champa Räucherstäbchen meine Sicht vernebelt, in einem Yogastudio, was u.a. CBD Öl verkauft.
Manchmal glaube ich, Yoga muss sterben, damit es wieder leben kann. Damit wir uns endlich wieder klar werden, dass es Basic darum geht unseren Geist zur Ruhe zu bringen, damit wir fühlen können um was es uns wirklich im Leben geht. Und dennoch habe ich heute schon Merinoshirts, Klimmzugstangen, Autos und weiß der Geier was noch im Internet ergooglet, weil auch ich in diesem kaptialistischen System gefangen bin, was vorgaukelt, das man dies und jenes braucht um glücklich zu werden.
Und während sich jeder einredet, dass er/sie es aber richtig macht, lassen wir ALLE oft diese wichtigen Basics auf der Strecke liegen. Vor Allem (!!!) wenn wir uns selbst als zu wichtig nehmen. Wenn jemand „Ich fühle das heute nicht“ bei einer zu erledigenden Aufgabe sagt, statt verdammt nochmal die Arschbacken zusammen zu kneifen und seinen Scheiß auf die Reihe zu kriegen, bekomme ich mittlerweile das Bedürfnis Gummibänder auf seine Zunge zu schnipsen. In der Sinnsuche falsch abgebogen sind auch all diejenigen, die unter dem Deckmantel der Individualität ihre neu entdeckten Erkenntnisse als DIE WAHRHEIT sehen und erwarten, dass sich alle anderen danach zu richten haben. Ich kann mich aber nicht danach richten das der Saturn Auswirkungen auf den Vollmond hat, und ich deshalb meine Termine absage – weil ich Verpflichtungen habe, den ich nachkommen will und muss. Kurzum wenn Yoga eine Ausrede für Bequemlichkeit, Faulheit und Andere-im-Stich-lassen wird, haben wir ein riesiges Problem. In der Gita steht es schwarz auf, wir müssen kämpfen – die Frage ist nicht ob, zu welcher Befindlichkeit oder unter Zuhilfenahme welches Räucherstäbchens, sondern wie und wie unser Geist währenddessen aufgestellt ist. Genauso schlimm wird es aber wenn Yoga dafür missbraucht wird die Produktivität und den Workload zu steigern. Ich lobe und verachte jeden Großkonzern, der für seine Mitarbeitenden Yogakurse anbietet und es fucked mich richtig ab, dass ich keine Meinung dazu entwickeln kann, weil ich es falsch finde, dass Menschen näher gebracht wird richtig zu atmen, damit sie besser arbeiten, aber auf der anderen Seite die Vorteile für das Individuum fantastisch sind. Es geht also auch um das Motiv. Und manchmal ist das Motiv egal.
Spirituelle Überheblichkeit ist das was aus all diesen Punkten folgt. Weil wir eben privilegiert sind und mit diesen Menschen aus dem Plattenbaugebiet am Rand der Stadt nichts zu tun haben und das auch ehrlicherweise nicht unbedingt wollen, obwohl wir uns politisch mitte links solidarisch zeigen und dann Alibidebatten über Minderheiten führen, ohne Minderheiten zu integrieren und zu fragen.
Ihr seht, ich habe in diesem Text keine Struktur, lauter Widersprüche und keine Lösung. So ist unser Geist manchmal – ein verfluchtes kleines Miststück.