Welcome back,
nach fast 6 Monaten ohne Veröffentlichungen, glich mir der verregnete Samstagmorgen mit seinen, im Wald aufsteigenden, Nebelschwaden einer mystischen Aufforderung von Mutter Natur kreativen Prozessen zu folgen. Zeitgleich ist doch genau jetzt die Zeit dafür oder? Schaue ich nach rechts und links sind alle so in ihrem Sommermodus vertieft, dass das Leben richtigerweise eher im Außen statt im Innen stattfindet – doch genau hier dürfen wir lernen uns nicht zu verlieren und dennoch an den Freuden der Welt zu partizipieren. Der mittlere Pfad – ein Mantra das mich aus meinen Yogalehrerausbildungen immer begleitet, wenn ich dazu tendiere in die eine oder andere Richtung abzudriften. Zeit für mich alleine, Zeit für Events und Ausflüge mit anderen Menschen – es geht um die Balance, ganz einfach – wie soll man sonst das Erlebte verarbeiten?
Eine verschobene in der Gesellschaft, sowie in der Yogaszene zelebrierte Mentalität dreht sich um das Wort „Hustlen“. Es ist erschreckend wie Menschen sich selbst dazu bringen, dauerhaft über ihr eigenes Limit zu gehen – ganz gezielt in dem Glauben, dass sie wie ein Perpetuum Mobile funktionieren. Im Ausgleich „macht“ man dann Yoga – ganz in treuer FDP-Manier, so als ob Kollegah, Kontra K und Christian Lindner in einer Symbiose ein Manifest verfasst hätten, ein Goldenes Buch: „Der 8-gliedrige Pfad des Schaffens – warum du ohne Leistung nichts wert bist und nur glücklich wirst, wenn du dich selbst vergisst“.
Jetzt gibt es, auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis einige Menschen, deren Lifestyle sich daran anlehnt – die das auch in gewisser Art und Weise zelebrieren und ich denke auch bei Euch wird der ein oder andere dabei sein, der unterstreichen würde, dass man für seinen Traum kämpfen, ballern, hustlen muss. Ich bestreite hier auch nicht, dass diese Phasen im Leben durchaus dazu gehören – aber es sollten immer nur Phasen sein und man sollte sich stets folgende Frage beantworten:
Ist mein Ziel es Wert, dass ich mich körperlich und psychisch vernachlässige?
Wisst ihr, ich habe so viele Menschen in meinem Leben kennen gelernt und erkenne mittlerweile weit verbreitete Muster ziemlich gut. Man rennt einem Ziel hinterher, lässt links und rechts alles liegen, betäubt sich mit irgendwelchen Sachen/Urlauben/Drogen um irgendwie durchzuhalten und dann hat man sein Ziel erreicht. Jetzt sollte alles perfekt sein oder? Die Wahrheit ist, dass dies meistens leider nicht der Fall ist. Warum? Weil wir auf dem Weg die oben angesprochene Balance vernachlässigen, was dazu führt, dass wir gar nicht wissen wie wir im Stillstand genießen können. Jeder weiß das auch und trotzdem hecheln die meisten dem nach:
„Wenn ich ein Haus und Kinder habe, wird mein Leben gut“
„Wenn ich meine erste Millionen habe, dann bin ich für immer happy und mache nur noch was ich will“
„Mit diesem Auto werde ich mir zeigen, dass ich es geschafft habe“
Es ist traurig, dass wir den offensichtlichen Fakt übersehen, dass es durchaus legitim ist Zeit in seinen Reichtum zu investieren, es aber unsexy scheint, sich mit seiner Innenwelt auseinander zu setzen. Wann bitte ist unsere Psyche Mittel zum Zweck geworden, die durchhalten muss, damit ich meine (monetären) Ziele erreiche? Es ist eine der größten Lügen, die uns weisgemacht wird.
Warum denkt ihr kommt die Midlife Chrisis? Weil es in dieser Zeit erst anfängt kompliziert zu werden. Im Außen mögen sich viele ihre Ziele von Haus/Kindern/Heirat erfüllt haben, aber sie haben das Innen vergessen. Dann kommt das Gefühl des „Nicht-Zufrieden-Seins“ mit folgenden zwei Optionen:
- Man ignoriert es und begibt sich in eine Spirale, in der meistens alle, außer man selbst Schuld ist (ich spreche aus Erfahrung)
oder
- man beschäftigt sich mit sich selbst und bemerkt schmerzlich, dass das Leben was man sich hart erarbeitet hat gar nicht das ist, was man sich eigentlich wirklich wünscht.
Wir lachen und wundern uns immer über griesgrämige Rentner, die Frühs um 10 an der Kasse drängeln, weil sie keine Zeit haben – in Wahrheit sind wir auf dem besten Weg dahin, wenn wir immer nur rennen, statt Pausen zum Hinterfragen einzulegen. Wie wollen wir es denn jemals lernen?
„Viva la Prokrastination“ oder so ähnlich (ich hatte kein Latein in der Schule, aber den Musiksender habe ich als Kind sehr gefeiert…). Macht einfach mal entspannt Kinder! Wahrscheinlich ist die einzige Nebenwirkung vom Tempo drosseln, dass man Abzweigungen erkennt, die auch gelebt werden wollen und dadurch Zufriedenheit und Erfüllung fördern. Wenn wir das Leben zielorientiert betrachten, können wir es nicht genießen, sondern verhalten uns nur wie Getriebene (was im Übrigen genau das ist, was ein auf Konsum basierender Kapitalismus von uns möchte). Ich bekomme gerade wieder den Impuls mein Handy und das Internet zu löschen, aber gut – der mittlere Pfad.
Es geht um Zufriedenheit, Liebe und Freude – nicht morgen, sondern heute (krass, das reimt sich sogar), auf dem Weg und am Ziel. Ja, es gibt wahre Scheiß-Tage – die an denen du morgens aufstehst, erst deinen Kopf an der Dachschräge und dann den kleinen Zeh am Bettpfosten stößt, an denen das Klopapier alle ist und du mit herunter gelassener Hose durchs Bad wackeln musst um eine neue Rolle zu holen – das zu leugnen, wäre Quatsch. Aber wie wäre es mit dem Ziel den Weg zum Ziel etwas mehr zu genießen, mehr Zufriedenheit zu integrieren und sich Zwischenpausen freudvoll zu gönnen? Fänd ich ziemlich nice.